Die Stromnetze in Deutschland können nicht zu jeder Zeit im Jahr den kompletten Strom aus Windenergie transportieren, weil sonst das Netz überlastet wäre. Windräder stehen dann temporär still und die Energie bleibt ungenutzt. Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und die Neubrandenburger Stadtwerke (neu.sw) wollen das jetzt ändern.


Der Kurzzeitwärmespeicher soll im kommenden Jahr in Betrieb gehen. © neu.sw

Wie in einem überdimensionalen Wasserkocher (Power-to-Heat, P2H) wird in einer neuen Anlage zukünftig überschüssiger grüner Strom in Wärme für die Stadt umgewandelt. Beide Unternehmen haben jetzt vertraglich vereinbart, die Anlage mit einer Leistung von 30 Megawatt bis Ende 2023 auf dem Gelände der Stadtwerke zu errichten. Grundlage der Zusammenarbeit ist eine Regelung aus dem Energiewirtschaftsgesetz, um grünen Strom zu nutzen, statt Windkraftanlagen abzuschalten. Es ist deutschlandweit die erste Kooperation dieser Art. Die Investitionskosten von rund 14 Millionen Euro werden von 50Hertz getragen, für die Errichtung und den Betrieb der P2H-Anlage sind die Neubrandenburger Stadtwerke verantwortlich.

Bislang wurden wesentliche Teile der Strom- und Wärmeversorgung der Stadt Neubrandenburg über eine erdgasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) abgedeckt, in der zugleich Strom und Wärme produziert wird. In Zeiten, in denen das 50Hertz-Netz durch zu viel erneuerbar erzeugten Strom zu überlasten droht, wird zukünftig die Leistung der KWK-Anlage reduziert, um den überschüssigen Windstrom nutzen zu können. Dies wäre bislang mit Einschränkungen in der Wärmeversorgung verbunden gewesen - mit der neuen Power-To-Heat-Anlage aber kann diese Lücke bei der Wärmeversorgung geschlossen werden. Es wird in naher Zukunft also mehr erneuerbar erzeugter Strom genutzt werden können und weniger des kohlenstoffhaltigen Erdgases verbraucht werden müssen, sodass im signifikanten Umfang das Treibhausgas Kohlendioxid eingespart werden kann.

Das Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerk von neu.sw in Neubrandenburg. © neu.sw

Dr. Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb bei 50Hertz, begrüßt die vertragliche Vereinbarung: „Es ist uns gelungen, eine gute Lösung sowohl für die lokale Wirtschaft als auch für die Verbraucher in Neubrandenburg zu entwickeln. Mit dem Projekt setzen wir erstmals nach den neuen gesetzlichen Regelungen eine Kopplung des Wärme- und Stromsektors im Netzausbaugebiet in die Tat um. Damit leisten beide Unternehmen einen wichtigen Beitrag, um den klimaschädlichen Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern und somit die Energiewende voranzutreiben. Derzeit befinden wir uns mit weiteren Kraftwerksbetreibern in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg in der finalen Ausgestaltung solcher Vertragsabschlüsse, damit das ganze keine Eintagsfliege bleibt.“

Für Ingo Meyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Neubrandenburger Stadtwerke ist die Power-to-Heat-Anlage der nächste Schritt der grünen Wärme-Wende des Unternehmens: „Wir befinden uns in Neubrandenburg mitten im Netzausbaugebiet mit vielen Erneuerbare-Energien-Anlagen. Den Strom wollen wir nutzen, denn damit wird die Erzeugung von Fernwärme in Kombination mit unserem im Bau befindlichen Kurzzeitwärmespeicher sehr viel umweltfreundlicher.“

Um diese Kooperation umzusetzen, bedurfte es umfangreicher Vorarbeiten. So waren die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu prüfen und die nötigen vertraglichen Voraussetzungen zu entwickeln. Für die Power-to-Heat-Anlage und ihre Einbindung in das örtliche Strom- und Wärmenetz waren Planungsunterlagen zu entwerfen und Kostenabschätzungen zu treffen.

Hintergrundinformation

Im Jahr 2017 hat der Gesetzgeber den Übertragungsnetzbetreibern die Möglichkeit eingeräumt, mit einem KWK-Anlagen-Betreiber die Errichtung sowie den Betrieb einer P2H-Anlage vertraglich zu vereinbaren. Grundlage dafür ist das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Gemäß §13 Abs. 6a EnWG soll überschüssiger Strom in dem sogenannten Netzausbaugebiet nicht abgeregelt, sondern mithilfe von Power-to-Heat in Wärme transformiert und so genutzt werden. Zum Netzausbaugebiet zählen der nördliche Teil Niedersachsens sowie die Bundesländer Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Über 50Hertz

50Hertz betreibt das Stromübertragungsnetz im Norden und Osten Deutschlands und baut es für die Energiewende bedarfsgerecht aus. Unser Höchstspannungsnetz hat eine Stromkreislänge von etwa 10.200 Kilometern – das ist die Entfernung von Berlin nach Rio de Janeiro. Das 50Hertz-Netzgebiet umfasst die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die Stadtstaaten Berlin und Hamburg. In diesen Regionen sichert 50Hertz mit etwa 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund um die Uhr die Stromversorgung von 18 Millionen Menschen. 50Hertz ist führend bei der sicheren Integration Erneuerbarer Energien: In unserem Netzgebiet stammt schon über die Hälfte des verbrauchten Stroms aus regenerativer Erzeugung - Tendenz steigend. Anteilseigner von 50Hertz sind der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia (80 Prozent) und die KfW Bankengruppe mit 20 Prozent. Als europäischer Übertragungsnetzbetreiber ist 50Hertz Teil der Elia Group und Mitglied im europäischen Verband ENTSO-E.

Mehr Informationen: www.50hertz.com

Über Neubrandenburger Stadtwerke

Die Neubrandenburger Stadtwerke und ihre Tochtergesellschaften versorgen rund 27 500 Haushalte mit Fernwärme. Das sind rund 80 Prozent in der Stadt. Das Multiversorgungsunternehmen kümmert sich zudem um Strom, Trinkwasser, Abwasser, Gasversorgung, Stadtbusverkehr, Fernsehen, Internet, Telefonie, IT- und Telekommunikationsleistungen. neu.sw betreibt zudem eine Schwimmhalle und ein Krematorium. Der Konzern beschäftigt mehr als 550 Mitarbeiter.

Mehr Informationen: www.neu-sw.de