An eine Wunderheilung während einer Fahrt um den Engels-Ring wollen Andreas Falbe und Silvio Stubbe nicht recht glauben. Wohl aber können die beiden Mitarbeiter der Neubrandenburger Verkehrsbetriebe (NVB) Geschichten in Sachen Fahrgast-Tüdeligkeit erzählen.


Das „Wunder“ entzaubert sich als simple Vergesslichkeit: „Wie kann nur jemand seine Krücken im Stadtbus vergessen?“, fragt Andreas Falbe, der seit 35 Jahren bei den Verkehrsbetrieben arbeitet. Spätestens beim Aussteigen müsste der oder die Vergessliche doch merken, dass es nicht so gut zu Fuß geht. „Also doch eine Wunderheilung während der Fahrt vom Lindenberg zum Busbahnhof“, sagt er schmunzelnd.


Vielleicht erkennt jemand sein Eigentum unter den aufgetürmten Fundsachen wieder? Andreas Falbe (l.) und Silvio Stubbe zeigen hier nur einen Bruchteil von dem, was in Stadtbussen liegenbleibt. Fotos: neu.sw


Weit weniger Verständnis bringt Falbe hingegen auf, wenn den Frauen und Männern der NVB die Rückführung von Fundsachen extra schwer gemacht wird. „Finden wir einen Schwerbehinderten-Ausweis haben wir zwar den Namen des Verlierers oder der Verliererin. Doch an die Kontaktdaten kommen wir selbst über das Versorgungsamt nicht einfach so heran“, berichtet er. Datenschutz! Dann braucht es unter Umständen Glück und Geduld. Aber immerhin finden Dreiviertel der Fundsachen aus den NVB-Bussen den Weg zurück zu ihren Besitzern.

„Bei Regenwetter landen hier in der Zentrale regelmäßig fünf bis sechs Schirme“, berichtet der NVB-Einsatzleiter. Als nächstes zieht er eine Schublade mit Handys jeglicher Bauart auf. „Die werden meistens abgeholt“, erzählt Kollege Silvio Stubbe, der ebenfalls in der Einsatzleitung vorm Monitor sitzt. Gelegentlich springt er aber auch hinterm Lenkrad ein, wenn mal Not im Fahrbetrieb ist.

Was in Bussen liegenbleibt: Geldbörsen, Schülerfahrkarten, Handys - und inzwischen selten gewordene DDR-Fleppen.

Geldbörsen, Schülerfahrkarten, Pudelmützen... „Es gibt so eine Art inoffizieller Top-Ten-Liste der klassischen ‚Turnbeutelvergesser‘“, sagt er und ergänzt augenzwinkernd: „Manche Eltern sollten die verlustgefährdeten Dinge am Nachwuchs antackern.“ Auch Brieftaschen inklusive Ausweis, Bibliotheks- oder Geldkarte „mit sauber notierter Geheimzahl“ sind Alltagsfunde, zählt Andreas Falbe auf. Aktuell sind es außerdem besonders oft Earpods – kabellose Minikopfhörer in kleinen Behältnissen – die gern mal aus der Tasche und zwischen die Sitze rutschen.

Ein Paket frischer Fisch allerdings konnte ebenso wenig im Busdepot in der Warliner Straße zwischengelagert werden wie 30 originalverpackte Pfannkuchen. Verderbliche Waren müssen entsorgt werden. Unverderbliche Fundsachen hingegen werden mindestens ein halbes Jahr bei der NVB aufbewahrt. Mützen, Schals und andere Bekleidungsstücke gehen nach der üblichen Karenzzeit an die Kleiderkammern der AWO oder Diakonie.

Und manchmal gibt es auch richtig wertvolle Funde. „Die üppige Geldprämie, die sich vor einigen Jahren mal in einem Bus fand, wurde umgehend zum eigentlichen Empfänger zurückgebracht“, erinnert sich Andreas Falbe. Damals gab es nicht einmal ein „Danke“, als der Busfahrer als Geldbote an einer Neubrandenburger Wohnungstür klingelte. „Die meisten Verlierer sind aber doch dankbar. Oft hören wir am Telefon den Stein vom Herzen plumpsen, wenn etwas Verschwundenes bei uns wieder aufgetaucht ist“, sagt er.


Andreas Falbe: „Eine orangefarbene Mütze mit Bommel in Linie 6? – Haben wir!“


Wie bekommen schusselige Fahrgäste nun eine im Bus vergessene Sache zurück? Die Männer von der Einsatzzentrale raten: Zuerst Fahrerin oder Fahrer ansprechen. „Die können über Funk sofort abfragen, ob das gute Stück bei uns aufgetaucht ist“, erklärt Silvio Stubbe.

Bemerke jemand den Verlust beim Umsteigen am Busbahnhof, könne man sich dort auch an die Mobilitätszentrale wenden, die wiederum die Einsatzleitung informiert. Ein Anruf oder noch besser eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! helfen ebenso weiter. Hat sich verloren Geglaubtes angefunden, wird es auf dem Betriebshof der Neubrandenburger Verkehrsbetriebe ausgehändigt. „Wir können es aber auch in der Mobilitätszentrale hinterlegen“, ergänzt Andreas Falbe. Da gäbe es dann aber einen Tag Verzögerung, der ohne Gehhilfe oder, noch schlimmer, ohne Smartphone, schon mal lang werden kann.