Schlamm, Hitze und völlige Dunkelheit – die Industrietaucher, die in diesen Tagen den Faulturm der Neubrandenburger Kläranlage warten, brauchen für ihren Job Nerven wie Drahtseile.


Sorgfältig wird dem Taucher die 60 Kilo schwere Ausrüstung angelegt, bevor er in den Faulturm hinabgelassen wird. Fotos: neu.sw

Schweißgebadet taucht Siegfried Richter nach knapp drei Stunden aus dem Klärschlamm wieder auf. Seine Kollegen ziehen ihn an Leinen aus der Öffnung des Faulturms in 32 Meter Höhe. Sie spritzen ihn gründlich mit Wasser ab und helfen ihm aus der 60 Kilo schweren Tauchausrüstung. Erst die Helmglocke, dann der dick gummierte und mehrfach verstärkte Anzug. Bewegungsspielraum „wie eine Fliege im Teer“ habe er dort unten, erzählt der 63-Jährige kurz darauf. Da ist schon der nächste Taucher im Einsatz. Per Wechselsprechanlage halten die Männer oben zu ihm Kontakt.

Alle vier Jahre wird der Faulturm überprüft und gewartet. Ablagerungen müssen entfernt und sogenannte Verzopfungen gelöst werden. Die bilden sich zum Beispiel aus Fetten, Haaren und Faserstoffen. Das kann Leitungen verstopfen oder die Rührwerke behindern, erklären Karsten Schmoock, Leiter der Kläranlage, und Jonas Wegner, bei der neu-wab Meister Abwasserbehandlungsanlagen.

Siegfried Richter und seine beiden Tauchkollegen tasten deshalb also eine gute Woche lang ganz langsam Stück für Stück Wände und Anlagen. Ausgerüstet mit Werkzeugen wie Schraubenschlüssel, Pumpe und Flex ziehen sie im zähflüssigen Klärschlamm Schrauben nach, saugen Ablagerungen ab und „schneiden“ die Zöpfe ab. Bei 36 Grad Schlammtemperatur.

Nach dem Tauchgang erstmal eine gründliche Reinigung.


„Das ist das Schwerste, was du als Taucher machen kannst“, sagt Siegfried Richter über seinen Job. Er muss es wissen, mit mehr als 40 Jahren Taucherfahrung. Unter anderem war er auch schon an Offshore-Plattformen tätig – und dort mehrere Wochen unter Wasser im Einsatz. 2001 hat er schließlich seinen Tauchbetrieb S. Richter gegründet, mit Sitz in Schenefeld bei Hamburg.

Ein gesunder Lebensstil und so gut wie kein Alkohol sind die Basis für seinen Job – und die Fähigkeit, ganz in sich selbst zu ruhen, erzählt er. Ein einziger Fehler könnte ihn das Leben kosten. Als Mahnung ist deshalb ein Totenkopf bei jedem Einsatz mit dabei und thront jetzt am Geländer der Faulturm-Plattform. Schwere Tauchunfälle, sagt Siegfried Richter, hat es in seinem Unternehmen noch nie gegeben.

Im Urlaub taucht er übrigens auch gern ab, „dann aber dort, wo man was sieht“. Vor Südafrika zum Beispiel – beim Tauchen mit Weißen Haien.