Die Neubrandenburger Stadtwerke (neu.sw) und der Stromübertragungsnetzbetreiber 50Hertz haben in der Vier-Tore-Stadt die neu gebaute Power-to-Heat-Anlage offiziell eingeweiht. Sie wandelt überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie in klimaneutrale Wärme um. Für neu.sw und die Stadt Neubrandenburg ist es ein weiterer Schritt auf dem Weg zu grüner Fernwärme.


Peter Modemann (stellv. Oberbürgermeister von Neubrandenburg), Dr. Dirk Biermann (COO von 50Hertz), Staatssekretär Jochen Schulte, Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Diana Kuhk, Kraftwerksleiter Dennis Reincke, Vizelandrat Torsten Fritz und neu.sw Geschäftsführer Reinhold Hüls (von links) weihten die Power-to-Heat-Anlage gemeinsam ein. Foto: Neubrandenburger Stadtwerke


Die Stromnetze können nicht immer den gesamten erzeugten Ökostrom transportieren, weil sie noch nicht entsprechend ausgebaut sind. In solchen Fällen entstehen Netzengpässe, die zu einer Überlastung der Übertragungsleitungen und somit zu einer Gefährdung des elektrischen Systems führen können. Normalerweise müssen in solchen Situationen Windräder – und in Zukunft vermehrt auch Photovoltaikanlagen – abgeregelt werden. Ihr Potenzial bleibt ausgerechnet dann ungenutzt, wenn viel Wind weht oder die Sonne am wolkenlosen Himmel scheint. Dafür erhalten die Betreiber eine Entschädigung. Mit der Power-to-Heat-Anlage kann dieser überschüssige grüne Strom nun nach dem Motto „Nutzen statt Abregeln“ volkswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll noch besser genutzt werden.


Drei jeweils sieben Meter hohe Elektrodenkessel mit einer Leistung von jeweils 10 Megawatt bilden die Kernelemente der Power-to-Heat-Anlage. Sie sind mit Wasser gefüllt, das durch den Strom erhitzt wird. Die damit erzeugte Wärme wird anschließend ins Fernwärmenetz der Stadt geleitet oder im nebenstehenden Kurzzeitwärmespeicher eingelagert und erst dann abgerufen, wenn sie gebraucht wird. Sobald die Power-to-Heat-Anlage anspringt, kann die Leistung des Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerkes (GuD-HKW) reduziert werden und es macht dem Ökostrom Platz. Dadurch werden fossile Brennstoffe, CO2-Emissionen und damit auch Kosten eingespart.

Für Einweihungsgäste und interessiertes Publikum boten neu.sw Experten Führungen durch die Power-to-Heat-Anlage an. Foto: neu.sw

Reinhold Hüls, technischer Geschäftsführer neu.sw:
2017 haben wir die grüne Wärme-Wende in Neubrandenburg eingeleitet. Wir freuen uns sehr, mit der Inbetriebnahme der Power-to-Heat-Anlage den nächsten Schritt gehen zu können. Voraussetzung war zunächst der Bau des Kurzzeitwärmespeichers. Er ist die Basis dafür, dass wir mit der neuen Anlage jetzt auch erneuerbare Energien für das Wärmenetz der Stadt nutzen können. Aus Ökostrom wird Wärme. Damit wird Umweltschutz ganz praktisch greifbar.“

Dr. Dirk Biermann, Chief Operations Officer (COO) von 50Hertz:
„In Neubrandenburg nehmen wir die neunte Power-to-Heat-Anlage in unserem Netzgebiet gemeinsam mit regionalen Partnern in Betrieb. Damit stehen unserer Systemführung rund 300 Megawatt elektrische Leistung zur Verfügung, die sie zur Entschärfung von Netzengpässen einsetzen kann. Auch die Region um Neubrandenburg ist gekennzeichnet durch eine hohe Einspeisung von Windenergie. Bereits heute beträgt der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch im Osten Deutschlands über 70 Prozent und er soll auf 100 Prozent ansteigen.“ 

Jochen Schulte, Staatssekretär für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit, M-V:
„Hier in Neubrandenburg wird die Energiewende greifbar. Die innovative Nutzung überschüssiger elektrischer Energie für die Wärmeversorgung trägt nicht nur zur Effizienzsteigerung bei, sondern auch zum Klimaschutz. Diese Anlage zeigt, wie mit modernster Technologie und partnerschaftlicher Zusammenarbeit die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden können – für eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung.“

Die Bauarbeiten waren für Ingenieure und beteiligte Firmen wegen der technischen Komplexität eine besondere Herausforderung. Die Anlage musste in die bestehende Infrastruktur eingebaut werden. Zum Beispiel wurde eigens eine elektrotechnische Anbindung an das GuD-Heizkraftwerk und die vorgelagerten Stromnetze geschaffen. Eine 110kV-Schaltanlage dient nun als neuer Knotenpunkt zwischen Kraftwerksnetz und e.dis-Netz. Der überschüssige Ökostrom wird über die neue Anlage zu diesem Knoten und weiter über einen riesigen Netztransformator in die Elektrodenkessel der Power-to-Heat-Anlage geleitet. Dort wird aus grünem Strom schließlich grüne Wärme. Die wiederum kann im Kurzzeitwärmespeicher nebenan gespeichert werden oder direkt genutzt werden.

Die Elektrodenkessel sind die Herzstücke der Anlage. Sie tragen die Namen Solis, Ventus und Calor für Sonne, Wind und Wärme und waren im vergangenen Jahr während der Bauphase getauft worden. Foto: neu.sw

Hintergrund
Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und neu.sw ist eine Regelung im Energiewirtschaftsgesetz, um grünen Strom zu nutzen, statt Windkraftanlagen abzuschalten. Die Investitionskosten von rund 14 Millionen Euro trägt 50Hertz, für die Errichtung und den Betrieb sind die Neubrandenburger Stadtwerke verantwortlich. Der Übertragungsnetzbetreiber kann die Power-to-Heat-Anlage für sogenannten Redispatch-Maßnahmen einsetzen und über die Leitwarte der Stadtwerke anfordern.

Technische Daten der Elektrodenkessel

Hersteller     

Inopower DK

Typ

ZBVA 2010A

Wirkungsgrad                                    

x > 99%

maximal zulässiger Druck                

12,0 bar

maximal zulässige Temperatur         

192 °C

Leistung  

10 MW = 10000 kW (je Kessel)

Nennspannung                                  

10,5 kV = 10500 V

Betriebswasservolumen                   

5 m³ = 5000 l 


Über neu.sw
Das Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerk der Neubrandenburger Stadtwerke ist mit einer Leistung von 90 Megawatt nach Rostock das zweitgrößte Gasheizkraftwerk in Mecklenburg-Vorpommern. Durch Kraft-Wärme-Kopplung können besonders effektiv Strom und Wärme erzeugt werden. Insgesamt versorgt neu.sw rund 40.000 Haushalte mit Strom und 27.500 Haushalte mit Fernwärme. Das sind rund 80 Prozent in der Stadt. Das Multiversorgungsunternehmen kümmert sich zudem um Strom, Trinkwasser, Abwasser, Gasversorgung, Stadtbusverkehr, Fernsehen, Internet, Telefonie, IT- und Telekommunikationsleistungen. neu.sw betreibt auch eine Schwimmhalle und ein Krematorium. Der Konzern beschäftigt rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
www.neu-sw.de

Über 50Hertz
50Hertz betreibt das Stromübertragungsnetz im Norden und Osten Deutschlands und baut es für die Energiewende bedarfsgerecht aus. Unser Höchstspannungsnetz hat eine Stromkreislänge von etwa 10.200 Kilometern – das ist die Entfernung von Berlin nach Rio de Janeiro. Das 50Hertz-Netzgebiet umfasst die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die Stadtstaaten Berlin und Hamburg. In diesen Regionen sichert 50Hertz mit etwa 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rund um die Uhr die Stromversorgung von 18 Millionen Menschen. 50Hertz ist führend bei der sicheren Integration Erneuerbarer Energien: In unserem Netzgebiet stammt schon über die Hälfte des verbrauchten Stroms aus regenerativer Erzeugung - Tendenz steigend. Anteilseigner von 50Hertz sind der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia (80 Prozent) und die KfW Bankengruppe mit 20 Prozent. Als europäischer Übertragungsnetzbetreiber ist 50Hertz Teil der Elia Group und Mitglied im europäischen Verband ENTSO-E.
www.50hertz.com